Einsendungen zur Februar und März Challenge

Einsendungen zur Februar und März Challenge

Liebe Stammesmitglieder, liebe Eltern, liebe Gäste,
wir haben uns sehr über die Einreichungen zur Februar- und März-Challenge gefreut und möchten euch diese gerne präsentieren.

Zunächst die Einreichungen zur Februar-Challenge „Zeig dich als Pfadi!“, in der wir den „Thinking Day“ und „Founder’s Day“ zum Anlass genommen haben, uns offen als Pfadi zu zeigen.

Lotti zeigt sich als Pfadi

Die Aufforderung der aktuellen Challenge klingt zunächst sehr simpel: zeig dich als Pfadfinder – ziehe deine Kluft an und sei sichtbar als Teil dieser weltweiten Bewegung. Seine Kluft außerhalb eines pfadfinderischen Kontextes anzuziehen ist für manchen aber gar nicht so einfach. Sobald man Kluft trägt, ist man als Pfadfinder erkennbar. Das bedeutet oft, dass man ungewollt von (fremden) Menschen angesprochen wird. Die meisten davon sind neugierig interessiert und stellen einem Fragen wie „Was für ein Hemd haben Sie da an?“, „Verkauft ihr Kekse und helft alten Omis über die Straße?“ oder auch einfach nur „oh, Pfadfinder gibt es noch?“. Die Bandbreite der Fragen ist riesig. Es entwickeln sich teilweise interessante Gespräche, in denen man Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen entdeckt und nach denen man sich positiv bestärkt fühlt. Sei es beim Wandern, auf einer Zugfahrt nach einem Lager, auf der man am liebsten in Frieden schlafen möchte oder in einer belebten Fußgängerzone – ich habe schon viele schöne Erlebnisse in meiner Kluft gehabt.

Leider gibt es – wie bei so vielen Dingen im Leben – auch eine Kehrseite der Medaille. Trägt man seine Kluft, IST man erkennbar. Es kann einem passieren, dass man bei seinen Mitmenschen unschöne Gefühle oder gar Erinnerungen auslöst. Es kann passieren, dass man mit Vergleichen mit dem Nationalsozialismus, der Hitlerjugend oder auch der freien deutschen Jugend konfrontiert wird. Teilweise stößt man auf Unverständnis für die Bedeutung der Kluft. Denn auch wenn die Kluft für viele von uns ein praktisches, teilweise geliebtes Kleidungsstück ist, welches für uns bedeutet, dass wir als Gemeinschaft auftreten und niemanden aufgrund seiner Kleidung oder seines sozialen bzw. finanziellen Standes ausschließen, erfüllt die Kluft auch den „Tatbestand einer Uniform“. Sie erinnert viele Menschen an Zwang, Drill, militärische Organisationen, ideologische Beeinflussung und Hierarchien. Selbst meine Eltern waren zunächst skeptisch, als ich meine erste Kluft bekommen sollte. Auch auf einer friedlichen Veranstaltung wie dem Kirchentag, auf dem viele Pfadfinder:innen in Kluft als Helfer:innen anzutreffen sind, kann es einem passieren, dass man auf Unverständnis und sogar Hass aufgrund der Kluft stößt. In solchen Situationen gilt es vor allem, die Ruhe zu bewahren und sachlich zu bleiben. Die meisten Gesprächspartner sind bereit, sich informieren zu lassen und die kleinen Unterschiede zu entdecken. Aber eben nicht alle. Und so wird aus einer kleinen Aufforderung eventuell eine große Last. Daher habe ich überlegt, was es denn für mich bedeutet, mich als Pfadfinder zu zeigen.

Der einfachste Weg, sich nach außen erkennbar zu machen, ist natürlich das Tragen der Kluft. Es ist aber gewiss nicht der einzige. Ich zeige mich in meinem Alltag oft als Pfadfinder. Als Mitglied in unserem Stamm habe ich viele Dinge für mein Leben gelernt. Der Leitsatz „Hinterlasse die Welt ein kleines bisschen besser, als du sie vorgefunden hast“ zieht sich an vielen Stellen durch mein Leben. Meine Weltsicht, mein Umgang mit anderen Menschen und der Natur, mein handwerkliches Geschick und den Blick fürs große Ganze habe ich bei den Pfadfindern erlernt. Wir lernen und vermitteln demokratische Grundwerte, füreinander einzustehen und Projekte zu planen und durchzuführen. Durch meine Gruppenleiter und Mitsipplinge erlernte ich Grundsätze menschlichen Zusammenlebens und christlichen Glaubens auf spielerische Art. Ich lernte, für mich selbst und andere einzustehen und „Anweisungen von oben“ kritisch zu hinterfragen anstatt ihnen blind zu folgen. Ich habe auch gelernt, mich selbst zum Wohl anderer zurückzunehmen, mich selbst aber dabei nicht zu vergessen. All diese Fähigkeiten habe ich so gut es geht an meine eigenen Gruppenkinder weitergegeben, sowie diese sie an ihre Gruppenkinder weitergegeben haben und auch diese sie nun an die nächste Generation an Gruppenkindern weitergeben. Und es bestärkt mich zu sehen, dass nun meine „Gruppenurenkel“ erleben dürfen, was es bedeutet Pfadfinder zu sein und sich in seinem Alltag als solcher zu zeigen. Ich wünsche uns allen, dass wir weiterhin positive Rückmeldungen erleben, wenn wir uns in unserer Kluft in der Öffentlichkeit zeigen. Ich kann aber auch jeden verstehen, der davor zurückschreckt, in seinem Alltag – ohne den Schutz der Gruppe – seine Kluft zu tragen und sich dem ungewollten Feedback fremder Menschen auszusetzen.

Also empfehle ich euch: zeigt euch durch euer Handeln als Pfadfinder. Hebt den Müll auf, der nicht den Weg in den Container gefunden hat. Helft Menschen in Not. Seid freundlich zu anderen und tretet ihnen unvoreingenommen gegenüber. Reflektiert euer Konsumverhalten. Bietet eure Hilfe an ohne euch aufzuzwingen. Erinnert euch daran, dass wenn viele Menschen, viele kleine Schritte tun, eine Veränderung in der Welt geschehen kann.

Ich trage nicht täglich meine Kluft – würde ich gerne, aber dann verlöre sie für mich vermutlich viel an emotionalem Wert – aber ich zeige mich täglich als Pfadfinder.

Das Foto wurde im Zug auf der Rückfahrt von Braunschweig nach Hildesheim vom Abzelten 2015 aufgenommen. Ich wurde nicht angesprochen, sondern eher auf sehr viele verschiedene Weisen angeschaut. Auch das ist nicht unüblich. Nach 4 Tagen Lager mit Fahrrad und Kluft im Regionalzug :)“

Adrian zeigt sich als Pfadi

Wenn ich an die Pfadfinder denke, dann unweigerlich auch an Musik. Wir musizieren gemeinsam und haben viel Spaß dabei. Deshalb habe ich heute die Kluft beim Klavierspielen angezogen.

Arved und Jimi zeigen sich als Pfadis


In der März-Challenge „Geschichten für gemütliche Lagerabende“ wollten wir eure besten Geschichten hören, die man sich gut am Lagerfeuer oder in der Kothe erzählen kann. Hier findet ihr alle Einreichungen:

Die Geschichte von Meute 1

100 Abenteuer in Portugal

Was jetzt? Meine Frau hat mich verlassen, mein Verlag will mein neues Buch nicht veröffentlichen und bald bin ich pleite. Außerdem bin ich jetzt 39 und habe nur noch ein Jahr, bis ich 40 bin. Davor möchte ich unbedingt noch etwas erleben! Vielleicht eine Reise nach Porto, da wollte ich schon immer mal hin!

Mit meinem letzten Cent buche ich schließlich einen Flug nach Portugal!

Als ich das Flughafengebäude verlasse, stößt mir die drückende Seeluft entgegen. „Jetzt muss ich noch einen Schlafplatz für diese Nacht finden“, dachte ich. Auf Google-Maps fand ich einen See, leider war dieser 14 km weit entfernt. So machte ich mich auf den Weg. An einer Straßenecke habe ich “Pastéis de bacalhau” von einem einheimischen Imbiss bekommen. Später habe ich erfahren, dass das Kabeljau-Pasteten sind. Als ich meinen Schlafplatz einrichten wollte, stellte ich fest, dass mein altes Zelt nur noch wenig mit einem Zelt gemeinsam hatte, da es in den 20 Jahren auf meinem Dachboden von Motten zerfressen wurde. Also musste ich diese Nacht unter freiem Himmel verbringen.

Ich wachte auf und mir war eisig kalt. Mein Schlafsack war vom Tau durchnässt, außerdem hatte ich großen Hunger. Warum hatte ich mich bloß auf diese Reise begeben? Ich bin so ein Depp. Ich hätte zuhause bleiben und mir einen neuen Verlag für mein Buch suchen sollen. Aber jetzt liege ich hier. Allein und durchnässt an irgendeinem See in Portugal.

Nachdem ich eine Runde geschwommen war, folgte ich der Hauptstraße in Richtung Stadtmitte. Auf dem Weg ging ich an einem kleinen Buchladen vorbei, der an der Scheibe nach einem Autor suchte. Ohne Lebenslauf oder Bewerbung ging ich auf gut Glück in den Laden und die Frau hinter dem Tresen schickte mich ins Obergeschoss, um mit der Geschäftsführerin zu sprechen. Obwohl ich kein Portugiesisch konnte und mein Englisch auch nicht das Beste war, bot sie mir einen Vertrag an. Ich sollte ein Buch über meine Abenteuer in Portugal schreiben.

Mein Titel für das Buch lautete „100 Abenteuer in Portugal“.

In unserem Text haben wir 6 zufällige Wörter eingebaut, könnt ihr erraten, welche?

Johannes‘ Geschichte

Meine Geschichte eignet sich vermutlich nicht besonders für gemütliche Abende am Lagerfeuer. Eher für ungemütliche Abende. Aber sie wurde mir auf einem Lager erzählt und ich habe sie auch fast 20 Jahre später noch nicht vergessen.

Im Jahr 2003 führte uns das Sommerlager auf die Masurische Seenplatte in Polen. Der Lagerplatz lag an einem großen See. Wir verbrachten die sonnigen Tage damit, die Umgebung zu erkunden und natürlich plantschten und schwammen wir fast jeden Tag in dem See.

Eines Abends nahmen einige Mitarbeiter uns Kinder zur Seite und erzählten uns, dass der See eine dunkle Seite habe. Vor vielen Jahren seien mehrere Kinder in unserem Alter auf dem See verschwunden und dabei vermutlich ums Leben gekommen. Aufgrund der dichten Schicht an Wasserpflanzen auf der Seeoberfläche seien die Seelen der Kinder aber nicht in der Lage gewesen, in den Himmel aufzusteigen, weshalb die Kinder jetzt als Untote den See unsicher machten und Badende in die Tiefe zögen. Als wir einige Tage vorher schon im Bett waren, hätte einer der Mitarbeiter im Dunkeln verdächtige Gestalten am Bootssteg gesehen und auch andere Urlauber hätten ihn vor den Kindern im See gewarnt und erwähnt, dass diese jetzt auch an das Ufer kämen.

Wir Kinder waren natürlich gehörig verängstigt. Sofort beschlossen wir, nicht mehr im See zu schwimmen. Da wir vor den untoten Kindern auch an Land nicht mehr sicher waren, wollten wir unsere Zelte von innen zuknoten und nächtliche Toilettengänge nur noch in Kleingruppen erledigen. Noch während wir leicht panisch diskutierten, wie der plötzlichen Gefahr zu begegnen sei, hörten wir hinter den Bäumen aus Richtung des Sees so etwas wie ein Signalhorn. Das seien Suchboote, die auf dem See mehrere in den letzten Tagen verschwundene Urlauber suchten, wurde uns sogleich erklärt. Wir wollten nur noch ins Bett und den Tag so schnell wie möglich hinter uns bringen, um am nächsten Morgen unsere Sachen zu packen. Dass wir unter diesen Umständen so schnell wie möglich wieder nach Hause fahren mussten, stand für uns außer Frage.

Später im Schlafsack konnte niemand so recht schlafen und wir diskutierten aufgebracht, ob diese Geschichte denn überhaupt stimmen konnte. Da niemand wirklich an Geister oder Untote glaubte, kamen wir zu dem Schluss, dass uns die Mitarbeiter nur auf den Arm nehmen wollten. Deshalb vermuteten wir, dass sie noch eine Überraschung für uns vorbereitet hatten. Wir legten unsere Taschenlampen bereit und stellten uns schlafend. Es dauerte auch nicht lange, bis jemand am Zelteingang zu ruckeln begann und sich ein unförmiges Etwas in die Kothe schob. Wie auf ein Zeichen setzten wir uns auf und leuchteten alle mit unseren Taschenlampen in Richtung Eingang. Dort hockten zwei Mitarbeiter, die eine alte Gardine über sich geworfen hatten und hofften, uns mit diesem „Kostüm“ im Dunkeln einen Schreck einjagen zu können. Mit unserer Reaktion hatten sie jedoch nicht gerechnet und so stellte sich heraus, dass die untoten Kinder gar nicht existierten und die Mitarbeiter uns nur mit einer Gruselgeschichte das Fürchten lehren wollten.

Natürlich fuhren wir am nächsten Tag nicht nach Hause und hatten noch eine schöne Zeit in Polen. Als ich einige Tage später über den Lagerplatz ging, hörte ich wieder das Signalhorn der Suchboote. Diesmal konnte ich aber auch sehen, wo das Geräusch herkam. Es war ein kleiner Junge, der auch auf dem Zeltplatz Urlaub machte und auf einer Spielzeugtröte herumdrückte. Das Tröten war von den Mitarbeitern geschickt in ihre Geschichte eingebaut worden. So hatte sich auch dieser Aspekt der Geschichte aufgeklärt.

Es gab keinen Grund mehr Angst zu haben und auch im See gingen wir wieder Baden. Das tiefe Wasser vermieden wir ab jetzt aber lieber. Man weiß ja nie…

Jens‘ Geschichte

Vertrauen ist gut, Fahrplankontrolle ist besser

Audioversion:

Ein spontaner Rant über das Chaos der Deutschen Bahn und wie ein Jens damit umgeht.

Ich fahre gerade mit dem ICE von Stuttgart nach Braunschweig, mit einmal Umsteigen in Frankfurt Hbf. Dort soll ich an Gleis 8 ankommen und 20min später auch an Gleis 8 wieder einsteigen. Jedoch führt ein Polizeieinsatz am Frankfurt Hbf zu generellen Verzögerungen, die bei anderen Passagieren evtl. Unruhe aufkommen lassen, aber als Optimist bin ich mir sicher, dass ich die Verbindung noch bekomme, zumal unser Zug schon am Bf Frankfurt Flughafen steht. Kurz darauf muss ich aber leider hören, dass hier auch ein Lokführerwechsel stattfindet und unser neuer Lokführer noch nicht da ist. Wenig später heißt es, dass er erst in ca. 30min hier sein wird, da er noch vom Frankfurt Hbf herkommen muss. Kurz darauf dann die Info: Wer nicht auf den neuen Lokführer warten und schnell zum Frankfurt Hbf möchte, könne an Gleis 4 in eine S-Bahn steigen. Nach einem kurzen Blick auf mein Handy ist mittlerweile wohl selbst das zu knapp, also bleibe ich lieber im ICE sitzen und warte auf den neuen Lokführer, zumal meine beste Alternative für den Fall, dass ich den Anschlusszug nicht erwischen kann wohl eh ist im bisherigen sitzen zu bleiben, da der nach meinem eigentlich geplanten Ausstieg (in Frankfurt) noch über Hannover fährt. Noch während ich diese Gedanken ordne – von den angekündigten 30min Wartezeit sind evtl. 5 vergangen – heißt es plötzlich: „Wir haben nun doch schon einen neuen Lokführer, dieser muss noch einen Bremstest durchführen, es geht in ca. 10min weiter.“

Juhu! Ich kriege doch noch den ursprünglichen Anschlusszug in Frankfurt Hbf!, denke ich mir auf der Weiterfahrt, bleibe entspannt sitzen und schnappe mir kurz vor Ankunft meine 3 Taschen und gehe zum Ausgang, immer mit kontrollierenden Blicken auf mein Handy, ob ich den Anschlusszug, der aufgrund des Polizeieinsatzes ebenfalls Verspätung hat, noch bekommen werde. Es wird sogar durchgesagt, dass mein Anschlusszug noch erreicht wird. Kurz darauf stoppt mein Zug, jedoch noch nicht am Bahnhof, sondern wiedermal im nirgendwo. Der Polizeieinsatz hat einen „Rücklaufstau“ auf den Gleisen verursacht. Die Weiterfahrt verzögere sich um wenige Augenblicke. In der Zwischenzeit erhalten wir in kurzen Abständen je brandneue weitere Infos: Zuerst, dass mein Anschlusszug nicht an Gleis 8, sondern außerplanmäßig an Gleis 9 warten wird. Dem Bahnsteig direkt gegenüber. Als nächstes, dass wir selber nicht mehr an Gleis 8, sondern außerplanmäßig an Gleis 7 ankommen werden, mein Anschlusszug wird dabei nicht mehr erwähnt. Ich behalte die Anzeige im Zug und mein Handydisplay stätig im Auge, noch kann ich es schaffen. Ich stehe mittlerweile eine gewisse Weile an der Tür, stelle endlich mal meine Taschen ab und überhöre ein Gespräch von Fahrgästen die ebenfalls in Frankfurt aus- oder umsteigen wollen. Eine von Ihnen hatte es versucht am Bf Frankfurt Flughafen die angekündigte S-Bahn an Gleis 4 zu erwischen, als sie da war musste sie jedoch feststellen, dass dort gar keine S-Bahn Richtung Frankfurt Hbf fährt, so dass sie zurück lief und gerade noch so in unseren damals ja angeblich 30min wartenden Zug zurücklaufen konnte, bevor sich nach den tatsächlich nur 10/15min die Türen gerade so erst schlossen, nachdem sie wieder reinspringen konnte.

Zurück in der Gegenwart: Mein Handy sagt mittlerweile, dass es nur 3min Umsteigezeit gebe und der Anschluss nicht mehr garantiert wird, dafür fahren wir endlich wieder.

Ich denke, 3min reichen mir und ich mache mich bereit, gleich loszulaufen von Gleis 7 zu Gleis 9. Der Zug hält – nicht am Bf, wieder zu früh. Mein Anschlusszug ist weg.

Ich überprüfe die „aktuellen Alternativen“ in der DB-App: Sie rät mir trotzdem in Frankfurt auszusteigen und eine Stunde später den nächsten Zug zu nehmen, die wesentlich bessere Möglichkeit sitzenzubleiben und bis Hannover weiterzufahren, kennt sie im Gegensatz zur mir nicht.

Ich verstaue meine 3 Taschen, suche mir einen neuen Platz, der Zug fährt weiter, hält am Frankfurt Hbf und ich denke nach:

Mein Anschlusszug und der in dem ich noch drin sitze, haben Frankfurt Hbf ja fast zur selben Zeit verlassen. Vielleicht holen wir ihn bis Kassel Wilhelmshöhe noch ein? Naja, dass werde ich dann sehen. Ich hole meinen Laptop raus, aber anstatt an meinen 2 Hausarbeiten weiter zu schreiben oder Notizen der Probenwoche in den Drehplan einzuarbeiten, beginne ich diesen Text zu tippen. Dabei notiere ich die neuen Durchsagen: „Wir haben Frankfurt Hbf mit einer Verspätung von ca. 50min verlassen.“ Und kurze Zeit später:

„Verehrte Reisende, wir kommen hier leider wieder zum stehen, da der vor uns liegende Streckenabschnitt gesperrt ist. In Fulda … ey, wir fahren weiter?“ Neben mir, lachen viele weitere aus dem Zug laut auf.

„Verehrte Reisende, der Streckenabschnitt wurde gottseidank wieder frei gegeben, ich wiederhole: Der Streckenabschnitt wurde gottseidank wieder freigegeben!“

Nach einer Weile kommt die Ansage, dass wir um 19:15 Uhr Kassel Wilhelmshöhe erreichen. Mein Plan hier noch schnell umsteigen zu können wird damit nicht funktionieren, vor allem nicht wenn man der elektronischen Anzeige Beachtung schenken würde: Der Zug sei um 18:19 Uhr in Kassel Wilhelmshöhe, dabei haben wir es bereits 19:07 Uhr. Der Rest der Fahrt verläuft ohne Zwischensfälle – bisher.

Mittlerweile hier in Hannover soll ich laut App übrigens von Gleis 7 zu Gleis 9 um in den RE nach Braunschweig zu wechseln. Ich steige jedoch in den IC, der an Gleis 10 steht und werde 30min schneller sein. Hoffentlich.

Ich verabschiede mich bei allen aussteigenden Zuhörern und wünsche, trotz der Unannehmlichkeiten noch einen angenehmen Abend. „Sänk you für travelling with Deutsche Bahn“.

Nairtxas Geschichte

„Im Babemba-Stamm im südlichen Afrika glaubt man daran, dass jeder Mensch als ein gutes, liebenswertes Wesen in diese Welt hinein geboren wurde, dass jeder Mensch sich nach Liebe, Zuwendung, Frieden, Sicherheit und Glück sehnt und diese Geschenke auch verdient.

Aber manchmal handelt man im Verlaufe des Lebens unverantwortlich und macht Fehler.

Wenn ein Mitglied des Stammes grob unverantwortlich, stark unsozial oder ungerecht gehandelt hat, dann wird die Person in die Dorfmitte gebracht, ohne Zwang auszuüben. Die Menschen hören auf zu arbeiten und versammeln sich in einem großen Kreis um den Stammesangehörigen – Männer, Frauen und Kinder. Dann spricht jeder Einzelne zum „Angeklagten“, einer nach dem anderen, und erinnern den Menschen in der Mitte an alles, was dieser in seinem Leben schon Schönes und Gutes vollbracht hat. Jedes Ereignis, jedes Erlebnis, das man mit dem „gefallenen“ Mitmenschen hatte und das zeigt, wie viel Gutes in dem Menschen steckt, welches seine Stärken und positiven Eigenschaften sind, wie freundlich und hilfsbereit er ist, werden mit großer Genauigkeit und Aufrichtigkeit allen Anwesenden und besonders dem Betroffenen im Mittelpunkt des Kreises in Erinnerung gerufen. Es ist nicht erlaubt zu übertreiben, es wird nichts erfunden, niemand ist sarkastisch, alle sprechen nacheinander mit liebevoller Zuwendung und Ehrlichkeit zur Person in der Mitte.

Die Zeremonie kann sehr lange dauern, auch mehr als einen Tag, solange bis sichergestellt ist, dass die Gemeinschaft alle die positiven, aufbauenden Begebenheiten mit dem betreffenden Stammesmitglied, alle an die man sich erinnern konnte, vorgebracht worden sind.

Am Ende der Zeremonie wird der Kreis geöffnet, ein fröhliches Fest wird gefeiert und die Person wird symbolisch und real zurück im Stamm willkommen geheißen. „Aber die Notwendigkeit für solche Zeremonien ergibt sich sehr selten!“

Quelle: Contact: The First Four Minutes“ von Leonard Sunin

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